Workshop geteilte Lebenswelten – Geschichtsunterricht einmal anders!
Geschichte als Politikunterricht? Ja, dieser geschichtliche Workshop ist wichtig, um die eigene deutsche Geschichte zu verarbeiten, er ist Demokratielernen ohne Distanz, vielmehr nahbar und lebensnah. Politik ließe sich ohne Geschichtskenntnisse schwer verstehen, eröffnete Susanne Delattre, Sprecherin der Fachkonferenz Politik der bsb, die Veranstaltung.
Es beginnt mit einem kurzweiligen Vortrag des Historikers Ron Heckler von der deutschen Gesellschaft e.V.
Mit vielen interaktiven Teilen, Fotos und Filmausschnitten erfuhren die Klassen 11 TE, 11 BSA, 12 W und 10 ATM einiges über die Entstehung der DDR und das Leben in ihr, über Schule, Jugendorganisationen, Wirtschaft und Werbung, Freizeit, Musik, Mode und Fernsehprogramm.
In der zweiten Hälfte des Workshops gab es Zeit und viele Anregungen für den Austausch mit den geladenen Zeitzeugen: Für die „BRD“ waren Angelika Schmidt und Walter Schneider aus Hatzfeld da und für die „DDR“ kamen Berthold Dücker aus der Rhön und Mike Mutterlose aus Rostock.
Fragen, die besprochen wurden, waren zum Beispiel:
Flucht: Was hat es für einen jungen Menschen bedeutet, sein Land und seine Familie zu verlassen und dabei sein eigenes Leben zu riskieren? Wie wurden DDR-Flüchtlinge im Westen angesehen? Wie wurden die Geflüchteten angesehen, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die BRD kamen? Und wie blickt man heute auf Geflüchtete aus Syrien, Eritrea oder der Ukraine?
Wenn man heute auf die Situation der Geflüchteten blicke, merke man, es habe sich nichts geändert – so Herr Dücker und Frau Schmidt.
Impfgegner: Haben Impfgegner Recht, die die aktuelle Situation der BRD in der Pandemie mit der damaligen Situation in der DDR vergleichen und sich wie Regimekritiker der DDR fühlen.
Dieser Vergleich sei absurd, urteilen Dücker und Mutterlose. Es gab tatsächlich Impfschäden, die in der DDR eher stärker verheimlicht wurden als in der BRD und über die viele in BRD und DDR auch gar nicht Bescheid wissen wollten, da man sich gut versorgt fühlte.
Pflanzengift, das auf den Grenzstreifen an der deutsch-deutschen Grenze ausgebracht wurde und etliche Kinder schwer erkranken ließ. Darüber wurde von offizieller Seite überhaupt nicht berichtet, vielmehr wurde strikt verhindert, dass jemand dort recherchieren durfte.
Gegenseitige Wahrnehmung von Ost nach West und umgekehrt. Als DDR-Flüchtling merkte man die politische Verflechtung zwischen beiden deutschen Staaten, Fremdenfeindlichkeit der Westdeutschen, aber auch ihr Mitgefühl. Mike Mutterlose wurde nach Fluchtversuch, Haft, Freikauf und seiner Übersiedlung in die BRD bei Bewerbungen als Exot angesehen, weil er aus Rostock stammt.
Besucher der BRD, darunter sogar namhafte Journalisten, wurden in der DDR gezielt propagandistisch getäuscht und mit falschen Zahlen über die Wirtschaftskraft der DDR „versorgt“.
Wie ging man mit alten Nazis und Stasi-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um?
Hüben: Ein ehemaliger Schulleiter streitet sich in der BRD öffentlich mit dem Pfarrer aus der bekennenden Kirche und vertritt nationalsozialistische Ideologie. Drüben: Pädagogisch unfähige Grundschulpädagogen, die nach DDR-Ideologie für den Job ausgesucht wurden, unterdrücken und indoktrinieren Kinder.
Und die Frage, was gemeinsam typisch deutsch sei? Die Dinge „unter den Teppich zu kehren“! Es sei aber gefährlich für die Demokratie, Auseinandersetzungen zu meiden!
Darum kommt auch von den DDR-Zeitzeugen der Appell an die anwesenden Schülerinnen und Schüler: Geht wählen!
Interessant war auch die Frage an die Schülerinnen und Schüler, wer sich für die Freiheit einsetzen würde, wenn sich daraus Nachteile für einen selbst ergeben könnten.
Aktuell sehen wir an verschiedenen Stellen, wie schnell Demokratie kippen kann. Freiheit muss täglich erkämpft werden.
Text: S. Delattre